Aus der homöopathischen Praxis
Folgen von Schlucken eines Geldstückes
von Brigitte Reuter
Sonntagabend, 21.00 Uhr: Notruf einer Patientin: Ihr 18 Monate
alter Sohn Kai hat ein Zweimarkstück verschluckt und schreit seit
einer Stunde ununterbrochen. Es ist jedoch Gott sei Dank nicht ganz
so schlimm, wie ich im ersten Moment annahm, da es dem Vater
gelang, das Geldstück aus dem Rachen zu entfernen.
Ich lasse mir die Geschichte erzählen: Um circa 16.00 Uhr will der
Vater seinen Sohn wickeln. Kai ist ein munterer, pfiffiger Junge,
an allem interessiert. Er hat - bevor der Papa reagieren kann - ein
Geldstück ergriffen und in den Mund gesteckt. Der Vater holt sofort
das Zweimarkstück wieder aus dem Rachen - nicht ohne kräftig in die
Finger gebissen zu werden.
Da die Mutter mit ihren beiden Kindern seit Jahren in homöopathischer Behandlung ist und selber einiges Wissen erworben hat, schreitet sie zunächst zur Selbsthilfe - sicher auch, um mich am Sonntag nicht zu stören. Sie gibt ein Globuli Aconitum C 30 (Folgen von Schreck) und die Notfalltropfen der Bachblüten.
Zunächst sieht es auch so aus, als ob die Situation gemeistert wäre, Kai beruhigt sich und isst sein Abendbrot - allerdings hat die Mutter ihm vorsorglich einen weichen Haferflockenbrei gemacht.
Nach dem Abendessen läuft dem Jungen vermehrt Speichel aus dem
Mund, nicht blutig. Er mag nicht mehr trinken, dreht den Kopf weg,
wenn man ihm das Glas hinhält. Die Mutter gibt ihm ein Globuli
Arnika C 30 (für eine eventuelle Verletzung im Hals). Es ist keine
Reaktion auf das Mittel zu beobachten. Die Mutter meint, ihm würde
der Schluckvorgang Schmerzen bereiten.
Etwa um 20.00 Uhr soll er erneut gewickelt werden. Auf dem
Wickeltisch liegend (gleiche Situation wie am Nachmittag) fängt er
sofort an zu weinen und hört nicht mehr auf. Am Telefon spricht die
Mutter von »Dauerbrüllen«, ich höre es im Hintergrund.
Er hat zu Beginn des Dauerbrüllens ein zweites Globuli Arnika C 30
bekommen - ohne Erfolg! Symptome um 21.00 Uhr: heftiges Weinen,
Speichel läuft aus dem Mund, und er hat Probleme mit dem Schlucken.
Weil sein Gebrüll beim Wiedereintreten der kritischen Situation erfolgte, gab ich dem Gemütssymptom »Nachteilige Folgen eines Schreckens« den Vorrang, zumal ich im Synthesis unter »Verschlucken eines
Fremdkörpers« bzw. »Folgen von ...« nicht fündig wurde. Da ich die
Patienten nicht lange warten lassen wollte, griff ich zu
Hering-Haehls »Homöopathischer Hausarzt«. Dort fand ich Opium:
Hauptmittel gegen die nachteiligen Folgen eines Schreckens. Opium
hat auch Speichelfluss und erschwertes Schlucken.
Kai bekam ein Globuli Opium C 200. Eine Stunde später rief die
Mutter an: Es habe keine zehn Minuten gedauert, bis der Junge mit
dem Gebrüll aufhörte, er zeigte auch keine Angst mehr, kurz: Er
beruhigte sich und schlief ein. Er schluckte auch den Speichel
wieder herunter.
In der Nacht erfolgte kein weiterer »Notruf«. Am nächsten Abend
teilte mit die Mutter mit, dass er in der Nacht einmal aufgewacht
sei und etwas geweint habe. Sie hat ihm dann ein Globuli Hypericum
C 30 (Folgen von Schreck, Verletzung von Nerven, Überempfindlich
bei Schmerzen) gegeben, woraufhin er wiederum friedlich einschlief.
Am nächsten Tag war alles vergessen, und er konnte wieder alles
essen und trinken.
- Jetzt im nachhinein denke ich, dass Mercurius solubilis
vielleicht genausogut geholfen hätte bzw. aus homöopathischer Sicht
angebrachter gewesen wäre (Der Neue Clarke: Mercurius: Causae: u.a.
Schreck) Nun finde ich auch die so sehnlichst gesuchte Rubrik -
wieder in Hering-Haehls Homöopathischem Hausarzt »Verletzung durch
Fremdkörper; Fremdkörper in Schlund und Speiseröhre«: Arnika;
nötigenfalls Mercurius. Außerdem hat Mercurius Beziehung zu Hals
und Schleimhaut.
- Auf jeden Fall hatten alle Beteiligten eine ruhige Nacht!
Anschrift der Verfasserin:
Brigitte Reuter,
Kirchpfad 13
52445 Titz-Hasselsweilern
Erstveröffentlichung:
Der Heilpraktiker - Volksheilkunde 11/97, S. 15